Ein beliebtes Thema im Unterricht ist das Reisen. Meine Schüler berichten oft über ihre Reisen und bringen manchmal Bilder mit,die im Unterricht gezeigt und kommentiert werden.
Als mein Bruder Christian, der in Perth, Australien lebt, am Dienstag,den 25.6.2019 zu Besuch nach Hamburg kam,war er gerade fast 4 Wochen auf dem Jakobsweg unterwegs gewesen. Als er sein Ziel Santiago de Compostela viel früher erreicht hatte als geplant ,führte sein Weg noch nach Kap Finisterre ,dem sogenannten “Ende der Welt”. Da er sehr viel Interessantes zu berichten hatte und ich daran denken musste, dass viele meiner Schüler sich für diese Reise interessieren würden, habe ich ihn gebeten, einen Bericht über seine Reise und Erlebnisse zu schreiben. Hier erscheint der 1.Teil seiner Reise. 2 weitere Teile werden folgen.
Ich wünsche allen viel Spaß bei der Lektüre seines Berichts.
El Camino – oder auch der Jakobsweg – my way.
Genau genommen gibt es viele Jakobswege, z.B. den Camino de la Plata, Camino del Norte, Camino Inglés, um einige zu nennen, und der Camino Francés, der wohl bekannteste unter den Caminos. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich diese wichtigen Routen mit eigenen Namen gebildet, die aber schon vor Jahrhunderten wegen ihrer unterschriedlich genutzten Infrastruktur von den Pilgern bevorzugt wurden. El Camino bedeutet schlicht aus dem Spanischen übersetzt: der Weg.
Der Jakobsweg, den ich gegangen bin, ist der Camino Francés, der meist als ‘der Jakobsweg’ bezeichnet wird und der in Saint-Jean-Pied-de-Port, Süd- Frankreich, ganz nahe der spanischen Grenze beginnt und daher auch diesen Namen trägt. Von hier geht der Camino über die Pyrenäen in Richtung Pamplona und Burgos, der Meseta entlang nach Leon und dann über die Galizischen Berge nach Santiago de Compostella. Für die meisten Pilger endet ‘der Camino’ in Santiago, aber für mich war klar,dass‘mein Camino’ in Muxia oder Finisterra abgeschlossen werden sollte.
Meine Partnerin Rikke und ich waren im Juni 2017 die erste Teilstrecke von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Burgos gegangen. Der Weg führte gleich in den ersten 3 Tagen in die Pyrenäen. Wir entschieden uns für die Napoleonische Route, von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Roncevalles (erster spanischer Ort).Wir hatten sehr viel Glück,denn es war nur leicht bewölkt und regnerisch, was die Landschaft recht mystisch aussehen ließ, aber je höher man stieg, desto mehr klärte es sich auf und wir bekamen einen traumhaften Blick auf die umliegenden französisch-spanischen Landschaften. Durch das Baskenland, die traumhaft schöne und lebhafte baskische Stadt Pamplona, die nördlichen Wälder Navarras, die in die Ebenen des Ebro Flusses führen, und der Weinregion Riojas ging es nach Burgos in Kastillien. Aus familiären Gründen mussten Rikke und ich hier unseren Camino unterbrechen und reisten mit dem Bus nach Madrid und dann mit dem Flugzeug über Singapore nach Perth Westaustralien, wieder nach Hause. Aber zuhause angekommen liefen meine Füsse weiter einen imaginären ‘Weg’.
Nach unedlichem Quängeln und Nörgeln über 2 Jahre hinweg, gab Rikke mir ‘den Laufpass’ und sagte: “Bitte gehe den Camino zu Ende, damit ich dann auch mal Ruhe finde”. Die Strecke,die Rikke und ich gemeinsam zurücklegten, umfasste 12 Etappen und betrug 286.5 Km.
Am 21sten Mai dieses Jahres beginne ich den zweiten Teil meiner Reise,die aus 8 Etappen besteht und 184 Km lang ist. Ich starte in Burgos, der historischen Hauptstadt Kastilliens, mit ihrer berühmten Catedral de Santa Maria und dem Grab von El Cid, ein kastilischer Ritter und Söldnerführer aus der Zeit der Reconquista, der in der Neuzeit zum spanischen Nationalhelden avancierte. Es ging über die Meseta (Spanisch für das Tafelland)in Richtung Leon, der Haupstadt der Region Castille y Leon. Das Leben in den Städten spielt sich oft auf den Marktplätzen,die sich in der Nähe der Kathedralen und Kirchen befinden,ab und kommt kurz während der “Siesta” (Spanisch fuer Ruhezeit) zur Ruhe.
Die Meseta ist einer der Weizen- und Kornkammern Spaniens und ist im Juni gruen mit keimenden Planzen, die in einer dunkel-braunen mit rot gemischter Erde spriessen. Auch blühen die Wildblumen, Korn- und Mohnblumen wie wild entlang des Caminos. Der Weg schlängelt sich entlang Huegeln und tiefer liegeden Landflächen mit geringen An- oder Abstiegen,was das Wandern sehr angenehm macht. Nur sollte man sich der Stäerke der Sonne bewusst sein, die vor allem um 14-15 Uhr ihre intensivste Hitze für den Pilger bereit hält. Unter den erfahrenen Pilgern (die, die den Camino mehr als nur einmal gegangen sind) heisst es: die Pyrenäenstrecke wäre die “physische Phase”, die Meseta ist die “mentale Phase” und die galizische Strecke bis Santiago, sei die “spirituelle Phase”. Auch gilt unter einigen Pilgern die Meseta als langweilig und nicht sehr abwechsungsreich. Ich fand die Meseta wunderschön.Sie besteht aus leicht hügeligen und meandernden Landschaften, große Weiten und ist zum Westen nach Gallizien hin umringt von den Kantabrischen Bergen.
Immer wieder kommt man an kleinen und grossen Wasserkanälen entlang, die der Bewässerung der grossen landwirtschaftlichen Nutzflächen dienen. Hier gibt es Zeit, die Augen vom klar vorausliegenden Weg wegschweifen zu lassen und den Gedanken freien Lauf zu lassen.
Leon ist eine kleinere Stadt mit der typischen spanischen Stadtauslegung und einem sehr schönen Altstadtkern, in dem sich auch die gotische Kathedrale Santa María de Regla befindet ebenso wie das Museo Gaudí Casa Botines. Antonio Gaudí begann das Projekt zu diesem Gebäude 1891 im Auftrag der Stoffhändler Leóns. Das Ergebnis war ein mittelalterlich anmutendes Gebäude im Stil des Modernismus.
Die naechste Strecke, die die beiden historischen Staedte Leon und Sarria verbindet, besteht aus 8 Etappen und ist 202Km lang.
Dies ist die sogenannte ‘Hügelstrecke’, die zu der Stadt Astorga (bekannt als ein Mekka für Schokolade und fuer ein weiteres Gaudi- Werk) durch die Kantabrischen Berge in die Region Galizien führt. Der “Wanderweg’ aus Leon heraus fuehrt durch ein industrielles Gebiet und ist sicherlich kein sehr schöner Einstieg in diese Etappe, aber die restlichen Etappen belohnen einen um so mehr. Kurz vor der beruehmnten Romanischen Bruecke, die in den Ort Hospital D’Orbigo hineinfuehrt, begruesst mich ein Glockenturm mit 4 Storchennestern. Überhaupt sieht man unterwegs auf dem Camino viele Störche und ihre Nester, unter anderem auch auf der Kathedrale in Burgos. Einer alten Geschichte und Tradition folgend, findet nach wie vor in Hospital D’Orbigo jedes Jahr ein Ritterfest mit einem Lanzenturnier statt. Von hier geht es weiter nach Astorga mit den berühmten Schokoladenfabriken und einem Schokoladen-Museum. Darüberhinaus steht dort der bischöfliche Palast von Astorga, ein weiteres Gebäude des spanischen Architekten Antoni Gaudí. Hiernach geht es weiter über den Ort Rabanal Del Camino und einem Aufstieg auf 1430m nach Foncebadon. Bis vor wenigen Jahren war Foncebadon noch ein verlassener Ort und hat mit der ‘Renaissance’ des Caminos wieder an Bedeutung gewonnen. Die Etappe von Fonacebadon am nächsten Tag führt auf 1520m zum berühmten Cruz Ferro, ein Monument,an dem Pilger sich seit Jahrhunderten ihrer Steine entledigt haben. Pilger trugen diese Steine als Symbol ihrer Last, ihrer Sünden oder Fehlverhalten mit sich auf dem Camino. Dem Anstieg folgt ein steiler, steiniger Abstieg nach Ponferrada. Die Stadt hat ein schönes historisches Zentrum, mit einer Burg des Templerordens.