FAQ über meine Kindheit in Liberia

Im Zusammenhang mit meinem Englischunterricht werde ich oft gefragt, wo ich Englisch gelernt habe. Meine Antwort, dass ich eine amerikanische Schule in Liberia besucht habe, führt dann zu vielen weiteren Fragen, wie z.B.:

–    Wo liegt Liberia überhaupt?
–    Gab es dort „Apartheid“ wie in Südafrika?
–    Hast du auch die liberianische Staatsangehörigkeit?
–    War Liberia eine amerikanische Kolonie?
–    Warum ist deine Familie dort hingezogen?
–    Was haben deine Eltern dort gemacht?
–    Seid ihr wegen des Bürgerkriegs in Liberia nach Hamburg gezogen?
–    Wie sieht die politische Situation in Liberia jetzt aus?
–    Bist du in der Zwischenzeit mal wieder dort gewesen?
–    Hast du Sehnsucht nach Liberia und möchtest du mal wieder dorthin zurück?

Da alle, mit denen ich über Liberia gesprochen habe, die Informationen sehr interessant fanden, möchte ich jetzt in diesem Beitrag zu meinem Blog auf die gängigsten Fragen eingehen.
Wo liegt Liberia überhaupt?

Liberia liegt in West Afrika ,zwischen Sierra Leone im Westen, Guinea im Norden und der Elfenbeinküste im Osten, nicht sehr weit vom Äquator entfernt.
Zum Vergleich mit Deutschland sind hier einige Zahlen, die ich bei Wikipedia (de.m.wikipedia.org) gefunden habe:

Liberia Deutschland
Größe 97.079 km2 357.385,71 km2
Einwohnerzahl 4.092.310 (2014) 82.175.684 (2015)
Einwohner pro km2 42 230

 
Gab es dort „Apartheid“ wie in Südafrika?

Wenn die Leute hören, dass ich in Liberia geboren und fast 16 Jahre meines Lebens dort verbracht habe, sind sie zumeist überrascht. Manche sind etwas peinlich berührt und drucksen mit der Frage nach dem System der „Apartheid“, wie es bekanntlich in Südafrika bestanden hat, rum. Andere fragen  direkt oder gehen automatisch davon aus ,dass  dieses System der Rassentrennung und Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung auch dort existiert hat.
Glücklicherweise kann ich sagen, dass das nicht der Fall war, denn es würde mich sehr belasten, zu wissen, dass meine Familie, meine Freunde und ich  ein solches System unterstützt hätten.

Die meiste Zeit lebte ich in Bomi Hills im Landesinnern Liberias ,in dem eine amerikanische Firma, die die reichlich vorhandenen Eisenerzvorkommen abbaute,sich angesiedelt hatte .Der liberianische Staat war immer mit 51% an dieser, wie auch an allen anderen ausländischen (deutschen, schwedischen, etc.) Firmen, beteiligt und hatte somit auch entscheidenden Einfluss auf unternehmerische und unternehmenspolitische Entscheidungen.
In unserer Siedlung lebten nicht nur viele verschiedene Nationalitäten, sondern auch schwarze und weiße Angestellte der Firma nebeneinander – ganz unabhängig von ihrer Hautfarbe. Auf unserer Schule wurden die weißen und schwarzen Kinder der Firmenangestellten von weißen und schwarzen Lehrern unterrichtet. Mein Bruder und ich hatten weiße und schwarze Freunde, die wir besuchten und die uns zuhause besuchten.
Gerade heute habe ich von einem liberianischen Freund, der während des Bürgerkriegs in die USA geflohen war, aber mittlerweile wieder in Liberia lebt und sich zum Ziel gesetzt hat,seine Heimat wieder aufzubauen, folgenden Post auf Facebook erhalten: „ Your family was one of the greatest I ever met in Bomi (der Ort, an dem wir lebten), I shall never forget the love shown to me during those times we lived as neighbors. Chris (Christian,mein Bruder) and I would roam the entire Bomi Hills together.I was always an invited guest at the family dining table.Those wonderful and delicious German meals and pastries your mom made.Then Chris would come over to my house and he got the same love. Oh boy,did he love `Red Palm Oil and Rice´(eine liberianische Delikatesse).Till this day my mom asks me if I have made contacts with my´Red Palm Oil and Rice´ friend.“
Ein weißer amerikanischer Klassenkamerad von damals schrieb neulich: „What I brought home with me from Liberia is what I carry with me today.I need beautiful people of color to make me see all the beauty of the world.“
Damals als Kind- wir haben Liberia 1969 verlassen – habe ich nicht weiter darüber nachgedacht, aber im Nachhinein finde ich es immer noch ein sehr interessantes Phänomen, dass viele Amerikaner, die aus dem Süden der USA stammten, wo die Rassentrennung noch bis 1964 offiziell erlaubt war, in Liberia gezwungen waren, gleichberechtigt und respektvoll mit Schwarzen umzugehen.
Interessant ist auch,dass der liberianische Staat wegen „Apartheid“  keine diplomatischen Beziehungen zu Südafrika unterhielt.Eine direkte Flugverbindung zwischen Liberia und Südafrika gab es auch nicht .Das bedeutete nicht nur, dass man von Liberia  nicht auf direktem Wege  nach Südafrika fliegen konnte, sondern auch, dass sämtliche Post von Liberia nach Südafrika über England weitergeleitet wurde.

Dass es keine Diskriminierung in Liberia gab, hängt mit den Gründen für die Gründung des Staates Liberia zusammen.

„The love of liberty brought us here“- die Gründung Liberias

Bekanntlich ging die Kolonisierung Amerikas vom 16. bis zum 19.Jahrhundert mit der Massenversklavung von Afrikanern einher, die als billige Arbeitskräfte unter den menschenunwürdigsten Bedingungen auf den Plantagen der weißen Sklavenhalter, vor allem im Süden der USA, schufteten.
Aus humanistisch-religiösen Gründen stellte sich in Teilen der amerikanischen Bevölkerung zunehmend die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Sklaverei. Dazu kam, dass die Anzahl der Sklavenaufstände gegen ihre Lebensbedingungen zu nahm. Im Zuge dieser Entwicklungen hatte sich 1816 in Washington D.C  die American Colonization Society gebildet, die sich aus Gegnern der Sklaverei, in Freiheit geborenen Schwarzen und befreiten Sklaven zusammensetzte. Es war das Ziel dieser Organisation , Sklaven wieder nach Afrika zurückzubringen und sie dort anzusiedeln. Zu den Unterstützern dieser Organisation gehörten u.a. Abraham Lincoln und James Monroe ,der in seiner späteren Funktion als Präsident der USA dieser Organisationen die entscheidenden finanziellen Mittel für diese Unternehmungen zur Verfügung stellte. Am 2.2. 1820 segelten die ersten Schwarzen los  und erreichten am 9.3.1820 die Küste West Afrikas. Das Land, das sie von den dort ansässigen Stammeshäuptlingen kauften, nannten sie am 26.7.1847 bei der Gründung des ersten unabhängigen Staates in Afrika in Anlehnung an das Wort „Liberty“ (Freiheit) „Liberia“. Auf dem Wappen des neuen Staates steht auch heute noch: „The love of liberty brought us here:“
Die Verfassung und die Fahne wurden nach den amerikanischen Vorbildern geschaffen. Doch in der Verfassung wurde sich auch auf das besondere Schicksal der ersten Bürger dieses neuen Staates bezogen:
„ We ,the people of the Republic of Liberia, were originally inhabitants of the United States of America.
In some parts of that country we were debarred by law from all the rights and privileges of men; in other parts public sentiment, more powerful than
law, frowned us down.
We were everwhere shut out from all civil office.
We were excluded from all participation in the government.
We were taxed without our consent.
We were compelled to contribute to the resources of a country which gave us no protection.
We were made a separate and distinct class,and against us every avenue of improvement was effectually closed. Strangers from all lands of a colour different from ours were preferred before us.
We uttered our complaints ,but they were unattended to¸ or met only by alleging the peculiar institution of the country.
All hope of a favorable change in our country was thus wholly extinguished in our bosom, and we looked with anxiety abroad for some asylum from the deep degradation. …“ (Zitat aus Benjamin Brawley, „A Social History of the American Negro“,S.190ff.Collier Books, USA, 1971)

Aus Respekt und Dankbarkeit dem damaligen US Präsidenten James Monroe gegenüber,  gaben die Siedler ihrer Hauptstadt und meiner Geburtsstadt den Namen Monrovia.

Aus der besonderen Geschichte dieses Staates wurde in der Verfassung festgelegt, dass Liberia eine Zufluchtstätte für Schwarze sein sollte und, dass nur Schwarze die liberianische Staatsangehörigkeit erhalten könnten.
Daraus ergibt sich auch die Antwort nach meiner Staatsangehörigkeit. Obwohl ich in Liberia geboren bin, kann ich die liberianische Staatsangehörigkeit nicht
erwerben. Interessant ist, dass diese Tatsache, damals als Schutz gegen weitere Diskriminierung gedacht, heute von vielen Liberianern, aber auch Ausländern, die lange in Liberia gelebt haben bzw. leben als rassistisch und somit diskriminierend angesehen wird. Ein indischer Bekannter äußerte sich neulich folgendermaßen dazu:“ I felt racially discriminated when I found out that one can become a Liberian only if you are of Negroid origin – it is in the Liberian constitution.“ Ich ,für mein Teil, habe immer Verständnis für diesen Passus in der liberianischen Verfassung gehabt.

Statistiken und Bildmaterial stammen von Wikipedia ( de.m.wikipedia.org)

Ich hoffe, ich habe einige Fragen zu dem Thema Liberia zufriedenstellend beantwortet. Bei meinem nächsten Beitrag wird es um die weiteren Fragen gehen.

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