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Der Weg meiner Familie nach Liberia

Im letzten Beitrag zu meinem Blog bin ich auf einige häufig gestellte Fragen zu meiner Kindheit in Liberia eingegangen, insbesondere ging es um die Frage, ob es in Liberia auch ein System der “Apartheid” gab, wie man es aus Südafrika kennt.


Jetzt möchte ich auf weitere Fragen eingehen:


  1. Warum sind deine Eltern nach Liberia gezogen?

Um diese Frage beantworten zu können, muss ich ein wenig ausholen und etwas weiter in die Familiengeschichte zurückgehen. Helgoland-Sansibar: Was haben diese Inseln, die soweit von einander enfernt sind, mit meiner Geschichte zu tun?


Meine Großeltern väterlicherseits lebten in Sansibar, als mein Vater 1914 geboren wurde.Mein Großvater hatte dort eine Import-Exportfirma. Meine Großmutter war Lehrerin, aber ich weiß nicht,ob sie auf Sansibar unterichtet hat. Als meine Großeltern dorthin gezogen sind, war Sansibar ein freies Sultanat, das allerdings unter der “Schutzherrschaft”,so nannte man das damals, des Deutschen Reiches stand. In dem Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Vereinten Königreich Großbritannien vom 1.7.1890 verpflichtete sich das Deutsche Reich, die britische Schutzherrschaft über Sansibar im Austausch mit Helgoland anzuerkennen.(Wikipedia.”Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Vereinigten Königreich über die Kolonien und Helgoland”).Meine Großeltern lebten also, als mein Vater geboren wurde, als Deutsche auf britischem Hoheitsgebiet. Als am 28.7.1914 der 1.Weltkrieg ausbrach, wurde die Familie meines Vaters und somit auch er Kriegsgefangene,die kurze Zeit danach nach Gao in Indien deportiert wurden.Die 6 Jahre,die mein Vater dort verbrachte, haben so eine starke Sehnsucht nach einem Leben in fernen Ländern geweckt, dass er nach seiner Schulzeit und Lehre in Hamburg,und noch minderjährig, zum 1.Mal per Schiff nach Liberia reiste.Viele Bilder und Erzählungen meines Vaters zeugen davon, dass er dieses Leben sehr genoss.


Während des Krieges war mein Vater als deutscher Soldat in den Niederlanden stationiert,wo er meine Mutter,die Holländerin war, kennenlernte. Aufgrund der Kriegssituation und der Tatsache,dass sie verfeindeten Nationalitäten angehörten,war ihre Beziehung äußerst schwierig .Sie waren 9 Jahre verlobt und wussten oft nicht, ob der andere noch am Leben war.Als sie dann endlich heiraten konnten, lebten sie ein Jahr In Lüneburg.


Die Rückkehr meines Vaters nach Liberia

Wie meine Mutter später erzählte, war mein Vater dort nicht richtig glücklich und vermisste Liberia so sehr ,dass sie nach einem Jahr ungefähr gemeinsam nach Liberia ausreisten.So kam es dann, dass mein Bruder und ich in Liberia geboren und aufgewachsen sind. Ein weiterer Grund für meine Eltern nach Liberia zu ziehen, war die Situation in Nachkriegsdeutschland.Liberia bot meinen Eltern eine interessante Arbeitsperspektive, einen besseren Verdienst, Sicherheit und die Möglichkeit, in einem wunderbaren Land mit vielen Menschen unterschiedlicher Nationalität in Frieden zu leben.


Am Beispiel meines Vaters wird, meiner Meinung nach, besonders deutlich ,welche Auswirkungen gesellschaftliche und politische Ereignisse auf das Leben eines Menschen haben. Wie bereits erwähnt, wurde mein Vater in britischen Hoheitsgebiet geboren.Bis er 21 Jahre alt wurde,stand der Zusatz “British-born” in seinem Pass. Mit 21 Jahren musste mein Vater sich entscheiden, ob er die britische oder die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen wollte. Da seine Eltern und Familie Deutsche waren, seine Muttersprache Deutsch war, er in Deutschland gelebt hatte und nicht im selben Maße vertraut mit England war,entschied er sich für die deutsche Nationalität.


Gerade in Anbetracht des 2. Weltkrieges wäre vieles in seinem Leben ganz anders gekommen: mein Vater wäre kein deutscher Soldat geworden, er wäre nicht in Holland stationiert gewesen, er hätte meine Mutter nicht kennengelernt und …..und….und!


Warum ist deine Familie nicht in Liberia geblieben, bzw. warum seid ihr später nach Hamburg gezogen?

Für uns alle,aber insbesondere für uns Kinder,war das Leben in Liberia wie einst im Paradies. Es fehlte uns an nichts. Alle 2 Jahre bekam mein Vater, wie alle anderen Angestellten der Firma auch, 3 Monate Urlaub ,die wir dann in Europa bei unseren Familien In Deutschalnd und den Niederlanden verbrachten. Der einzige Nachteil des Lebens in Liberia war,dass die firmeneigene amerikanische Schule, die wir Kinder dort besuchten, nur Unterricht bis zur 7.Klasse anbot.Die Gründe hierfür kenne ich nicht.In der nahen Umgebung gab es keine andere Schule,die wir hätten besuchen können und deren Abschlüsse international anerkannt worden wären.So blieb nur die Möglichkeit,wenn die Kinder dieses Alter erreicht hatten, Liberia zu verlassen oder die Kinder auf weiterführende Schulen zumeist in den Heimatländern der Eltern zu schicken,was die meisten Familien auch taten.


Meine Zeit in Las Palmas,Gran Canaria

In meinem Fall war es so, dass ich mit 13 Jahren nach Las Palmas, Gran Canaria, zog, wo es eine deutsche Schule mit einem Internat gab .Fürdie Lösung sprach, dass sie näher an meiner damaligen Heimat Liberia lag und ich deswegen meine Familie öfters besuchen konnte, zum anderen lebte eine 2 Jahre ältere Freundin bereits seit ihrem 10 .Lebensjahr dort. Ihre Eltern waren Holländer,gute Freunde meiner Eltern, die genauso wie mein Vater für die amerikanische Firma dort arbeiteten. Majana und ich teilten uns ein Zimmen, und sie hat mir sehr geholfen,mich dort einzuleben. Heute lebt sie in Rotterdam.


Bevor jetzt alle Mitleid mit mir bekommen, muss ich sagen, dass die Umstellung nicht einfach war, zumal der Unterricht an der Schule jetzt in deutscher Sprache war und ich meine Familie natürlich sehr vermisst habe, aber dass ich diese Zeit nicht als schrecklich in Erinnerung habe. Wir waren maximal 10-15 Kinder, die alle mit der Heimleitung zusammen in einem großen Haus in Las Palmas lebten .Es war eher wie in einer Großfamilie- garnicht zu vergleichen mit den “Internats- Filmen”, die in Deutschland oder England spielten.Außerdem konnte ich im Sommer 3 Monate und zu Weihnachten 3-4 Wochen bei meiner Familie in Liberia sein.


Mein Eltern haben unter dieser Trennung sehr gelitten, und so kam es nach 3 Jahren, als ich die Schule in Las Palmas mit der Mittleren Reife beendet hatte und auf ein Internat nach Deutschland hätte umziehen müssen,zu dem Entschluss meiner Eltern, unser liberianisches Paradies zu verlassen und nach Hamburg zu ziehen. Es war für uns alle ein sehr schwerer Schritt, von allem Abschied zu nehmen und ein neues Leben in Hamburg anzufangen.


Wie haben wir damals die Zeit der Trennung überlebt… ohne die technischen Möglichkeiten von heute?


Ganz nebenbei bemerkt, wenn ich an diese Zeit in Las Palmas denke, fällt mir auch ein, dass ich, bis auf die normale Briefpost, die mindestens 10 Tage von Las Palmas nach Liberia und auch umgekehrt dauerte und ein Telegramm, das ich nur einmal nach der bestandenen Mittlere Reife Prüfung an meine Eltern geschickt habe,keine Möglichkeiten hatte,mit meinen Eltern in Liberia in Kontakt zu treten.Es gab keine Telefonverbindung, kein WhatsApp, Skype, Twitter, Viber, etc. Man kann sich das heute kaum vorstellen, aber irgendwie haben wir das auch geschafft.


Ich hoffe, damit wieder einige Fragen zu meinen Leben beantwortet zu haben.In meinem nächsten Blog geht es um unser Einleben in Hamburg und den Bürgerkrieg in Liberia.

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