Vor einiger Zeit habe ich angefangen, einige Fragen zu meiner Kindheit in meinen Blogs zu beantworten. Da einige Fragen noch offen sind, möchte ich diese jetzt in diesem Blog aufgreifen.
Zuletzt (siehe meinen Blog “Der Weg meiner Familie nach Liberia“) war ich auf die Gründe eingegangen, weshalb meine Familie 1969 Liberia endgültig verließ und nach Hamburg zog.
Der Umzug nach Hamburg und die Sehnsucht nach Liberia
Wie viele Menschen damals und auch heutzutage verließen wir 1969 unsere Heimat Liberia und zogen in ein ,zumindest für meinen Bruder und mich, relativ fremdes Land. Wir kannten Hamburg nur aus den Urlauben, die wir alle 2 Jahre hier verbrachten .Dann besuchten wir eine Tante meines Vaters, die in Volksdorf lebte und wo wir dann meistens 5-7 Tage in einem Hotel wohnten. Damals war Volksdorf für mich und meinen Bruder gleichbedeutend mit Hamburg. Wir staunten nicht schlecht, als wir dann 1969 auf der Suche nach einer Wohnung in andere Stadtteile kamen. Sie unterscheiden sich häufig doch sehr von dem Hamburg, das wir kannten.
Wenn ich heutzutage von Menschen hören, die nach Hamburg kommen und hier ein neues Leben anfangen, muss ich oft an die Anfangszeit meiner Familie in Hamburg nachdenken. Wir hatten kaum Familie und gar keine Freunde in Hamburg, mein Vater hatte zunächst keine Arbeit, wir mussten eine Wohnung suchen, was sich als besonders schwer herausstellte, da es damals auch Wohnungsknappheit gab und man außerdem keine kleinen Kinder in den Wohnungen haben wollte – mein Bruder war damals erst 10 Jahre alt. Wir kamen im Oktober und mit der Kälte konnten wir zunächst gar nicht umgehen. Die deutsche Sprache machte meinem Bruder und mir zu schaffen. Auch die Tatsache, dass wir nicht mit der Kultur, den gesellschaftlichen Gepflogenheiten und der Politik vertraut waren ,war ein großes Problem für uns. Ich erinnere mich ,dass ich in meiner ersten Deutschklassenarbeit Stellung nehmen sollte zu einem Zitat der APO ,in dem es um die Unabhängigkeit der portugiesischen Kolonien in Afrika ging. Ich wusste damals nicht ,wofür die Abkürzung APO (Außerparlamentarische Oposition) stand und ,ehrlich gesagt, wusste ich auch nicht, dass Portugal Kolonien in Afrika hatte. Als ich zu meinem Lehrer ging, um ihn nach der Abkürzung APO zu fragen, ging ein Raunen durch die Klasse. Wir fühlten uns alle einsam in Hamburg und vermissten Liberia sehr. Mein Vater sagte häufig, dass, wenn er könnte, er zu Fuß nach Liberia zurückkehren würde. Das galt für uns alle in der Familie. Doch es war, wie ich bereits in meinem vorigen Blog erwähnte, wegen meiner Schulsituation nicht möglich. Natürlich hatten wir den Wunsch und die Idee, später zumindest als Besuch nach Liberia zurückzukehren.
Doch zunächst wollte ich mein Abi machen, dann habe ich angefangen zu studieren und später erkrankten meine beiden Eltern so schwer, dass ich Hamburg nicht verlassen wollte.
Und dann kam 1980 der Umsturz in Liberia, worauf Jahre des brutalen Bürgerkriegs folgten, in denen es aus Sicherheitsgründen unmöglich war, nach Liberia zu reisen. 2003 gab es ein Friedensabkommen und 2005 gab es die ersten freien Wahlen, aus der Mrs.Ellen Johnson Sirlief als Siegerin hervorging. Sie war das erste weibliche Staatsoberhaupt Afrikas und war bis zum 22.Januar 2018 im Amt. Der heutige Präsident heißt George Weah und war ein auch international bekannter Fußballspieler. Der Krieg ist schon einige Jahre her, aber das Auswärtige Amt warnt immer noch davor, nach Liberia zu reisen. (Auswärtiges Amt: Reise- und Sicherheitshinweise, 11.8.2014),
Im Jahre 2014 kam dann noch die Ebolaepidemie, die 2015 offiziell für beendet erklärt wurde.
Obwohl die Sehnsucht nach Liberia und den Wunsch, wieder dorthin zu reisen, bei meiner Familie, wie auch bei vielen anderen (darauf komme ich später nochmal zurück),immer da ist, ist niemand aus meiner Familie zurückgekehrt, aber wer weiß, vielleicht schaffen mein Bruder und ich es doch nochmal, in das Land, in dem wir geboren sind, zurückzukehren.Damit würde ein langehegter Wunsch in Erfüllung gehen,auch wenn heute vieles anders aussehen wird.
Außer einigen Liberianern kenne ich nur 2 Personen, die tatsächlich nach vielen Jahren nach Liberia zurückgekehrt sind und davon abgeraten haben, ihrem Beispiel zu folgen. Bomi Hills, der Ort, an dem wir lebten, war eine Siedlung, die um die Eisenerzvorkommen in Mitten des Urwalds gebaut worden war .Der Urwald war gerodet worden, um Platz für Häuser, Büros, eine Schule, ein Krankenhaus, einen großen Supermarkt, in dem man alles für den täglichen Bedarf kaufen konnte, ein Kino, eine Bowlinganlage, Bergwerksanlagen für die Gewinnung und Zerlegung des Erzes, etc. zu machen. Da die geringen Restvorkommen an Eisenerz einen weiteren Abbau nicht mehr lukrativ erschienen ließen, wurde die amerikanische Firma, für die mein Vater arbeitete, geschlossen. Das hatte zur Folge, dass die Menschen, die dort gearbeitet hatten, von dort wegzogen, und der Urwald wieder in das Gebiet eindrang und es langsam übernahm .Auch wurden viele Gebäude und Minenanlagen durch den Bürgerkrieg zerstört. Die Freunde, die damals dort gewesen waren, sagten, dass man vieles nicht wiederfinden würde, dass manches nur noch als Ruine aufzufinden sei. Man sollte lieber die schönen Erinnerungen der Kindheit bewahren. Da es, wie bereits erwähnt, auch heute noch kein sicheres Land ist, haben wir es zunächst einmal bei den Erinnerungen belassen.
Mein letzter Beitrag zu meiner Kindheit wird sich mit dem Bürgerkrieg, unserer Bomi-Gruppe auf Facebook,in der sich 194 Freunde, die alle dort gelebt und zur Schule gegangen sind, zusammengefunden haben und unserem Treffen 2013 in Florida beschäftigen.